Spieletest

Might and Magic Heroes VI – Gamecheck

Fünf einhalb Jahre ist der fünfte Teil der legendären Heroes of Might and Magic Serie nun her. Zwei AddOns sowie ein Browserspiel-Ableger könne nicht darüber hinwegtäuschen das die Zeit für einen würdigen Nachfolger mehr als reif ist. Und voilà, hier kommt endlich Might and Magic Heroes VI.

Der Handlungsbogen von Heroes 6 ist einigermaßen komplex und umfasst gleich einige duzend Charaktere, worunter die Übersicht leiden kann. Im Prolog lernen wir den Fürsten von der Zufluchtsfraktion kennen, der sich aus Freundschaft zum Orkhäuptling gegen den Imperator auflehnt. Doch zu Beginn der fünf Solokompagnen wird er ermordet und jedes seiner fünf Kinder übernimmt die Führung einer eigenen Fraktion. Deren Feldzüge können wir in beliebiger Reihenfolge bestreiten, jeder Abschnitt erzählt ein anderes Kapitel der grossen Geschichte. Sohn Anton beerbt den Fürst als neues Oberhaupt der menschlichen Zufluchtsfraktion und will den Tot seines Vaters rächen. Er führt mittelalterliche Fußsoldaten und Ritter aber auch Greifen in die Schlacht. Die Tochter Anastasia ersteht, nach ihrem gewaltsamen Ableben, als Untote auf und setzt alles daran die Verschwörung um ihren Tot und den ihres Vaters aufzudecken. Neben Ghulen und Geistern führt sie als nekrotisches Oberhaupt auch Vampire ins Gefecht. Töchterchen Irena musste der Friedensdiplomatie wegen den widerwärtigen Herzog Gerhard heiraten. Fleiht dann aber und sucht Zuflucht bei der neuen Sanktuarium-Partei, die primär aus Wasserwesen wie Nagas und Kirin-Wasserdrachen besteht. Sohnemann Kiril erwacht in den Fängen der dämonischen Infernobrut, deren Invasion in der Prophezeiung vorhergesagt wird. Zu Kirils Diensten stehen dabei unter anderem mehrköpfige Höllenhunde und peitschenschwingende Weggefährten. Sandor führt schliesslich die orkische Bastionsfraktion. Dabei haben es nicht nur Menschen sondern auch zahllose, verfeindete Orkstämme auf ihn abgesehen. Er zieht Seite an Seite mit Zentauren, Harpien und natürlich Orks ins Kampfgeschehen.

Auf den ersten Blick hat sich im Gameplay nicht viel getan. Nach wie vor zieht der Spieler rundenbasiert von einer Stadt hinaus in die Landschaft und sammelt Rohstoffe, Gold, sowie Artefakte. Hierzu bekämpft er andere Fraktionen und neutrale Gegner. Ein Questbuch listet die Haupt- und Nebenaufgaben auf. Eine Neuerung, welche bereits im Vorfeld für Unmut sorgte, ist die neue Stadtansicht. Das magere Menü ist nicht nur spielerisch überflüssig, sondern lässt auch das aus den Vorgängern bekannte Gefühl der mitwachsenden Metropole vermissen. Hier soll ein Patch eventuell Abhilfe schaffen. Die restlichen Stadtbildschirme sind übrigens gut strukturiert und komfortabel.

Jede Siedlung verwaltet nun zudem ein abgestecktes Gebiet. Dazu gehört zum Beispiel jede Miene und jede Truppenunterkunft im Einflussbereich der Stadt automatisch der gleichen Fraktion. Die lästige Dauerjagt nach einzelnen, verlorenen Mienen gehört damit der Vergangenheit an. Stattdessen entbrennen nun heftige und spannende Kämpfe um die Städte oder Festungen, welche die jeweiligen gebiete kontrollieren. Wenn wir ein solches Bollwerk eingenommen haben, können wir es praktischerweise gleich zu unserer Fraktion konvertieren. Chaotische Mischarmeen gehören damit auf Wunsch der Vergangenheit an. Auch wenn sie nach wie vor möglich sind.

Das Charaktersystem der Helden bietet nun viel mehr Freiheit. Es gibt zahlreiche Talentbäume und Kombinationen. Die Zwangswahl zwischen zwei zufällig ausgewürfelten Fähigkeiten bei Levelaufstiegen entfällt also. In einigen Aufträgen treffen wir moralische Entscheidungen die unsere Ausrichtung zwischen zwei Talentfeldern beeinflussen. Der offensiven Blut-Spezialisierung und dem defensiven Tränen-Bereich. So schalten wir weitere Spezialfähigkeiten frei, was eine nette Ergänzung darstellt.

Die taktischen Kämpfe spielen sich fast wie in Heroes V, abgesehen von Verbesserungen im Detail. So hat Ubisoft zum Glück das initiative System gestrichen, weil es schnelle Einheiten zu sehr bevorzugte. Ausserdem können wir unsere beliebtesten zauber per Drag and Drop nun in frei belegbare Menüleisten ziehen. Die KI spielt meist gut, aber nach etwas zu steifen Mustern. Ziel Nummer Eins sind immer die Heiler, gefolgt von den Fernkämpfern. Darauf hat man sich schnell eingestellt. Dafür lässt sich mit der „Warten“-Taste nun nicht mehr jeder Held aus der Reserve locken. Es sei denn wir belagern die Festung des Feindes, denn dann unternimmt die KI oft sinnlose Ausbruchsversuche. Ansonsten zählen die Burgenschlachten aber wieder zu den Höhepunkten des Heldenlebens. Es motiviert einfach enorm die feindlichen Mauen zu stürmen.

Die Kampagnenkarte stellt Might and Magic Heroes VI hübsch, detailreich und sehr übersichtlich dar, setzt aber keine neuen Maßstäbe. Auf jeden Fall wirkt die natürliche Farbgebung aber gegenüber dem sehr bunten fünften Teil doch deutlich angenehmer und animierte Details wie Wasserfälle oder bewegtes Laubwerk lassen die fehlende Texturschärfe schnell vergessen. Es sei denn wir erleben sie in den Zwischensequenzen aus nächster Nähe mit. Zwar sind die Spielgrafik-Filmchen für die Serie schon das höchste der Inszenierungsgefühle, wirken aber in erster Linie steif, unnatürlich und wenig lebendig. Auch die Qualität der Animationen bleibt einiges schuldig, sowohl in den Zwischenszenen als auch in den Kämpfen. Da die meisten Spieler eh nach kurzer Zeit in den Optionen den Animationsturbo anmachen dürften, bleibt dieser Makel aber verkraftbar.

Die Befürchtung das die Veränderungen an der Spielmechanik Heroes VI schaden könnten haben sich nicht bestätigt. Da hervorragende Spielgefühl der Serienteile II, III und V bleibt im Kern erhalten. zumal die Neuerungen größtenteils gut durchdacht sind. Und kleinere Makel wie die eingefahrene KI und die steife Inszenierung stehen zurück, wenn die alte Wettlaufspirale greift. Man gibt nicht auf, bevor man nicht das grösste Reich, die mächtigste Armee und die schillernsten Artefakte besitzt. Heros VI ist somit alles andere als eine Neuauflage des verschlimmbesserten vierten Teils, sondern ein Heroes in bester Serientradition.