KARMA: The Dark World – Gamecheck
In den düsteren Gängen eines totalitären Albtraums entführt das von Pollard Studio entwickelte KARMA: The Dark World Spieler in eine surreale, cineastisch inszenierte Welt, die irgendwo zwischen den literarischen Visionen von George Orwell und den verstörenden Träumen David Lynchs verortet ist. Als First-Person-Psychothriller angesiedelt, kombiniert dieses rund sechs Stunden lange Abenteuer eine raffinierte narrative Struktur mit beklemmender Atmosphäre, wie sie im Genre der sogenannten „Walking Sims“ selten in solcher Dichte zu finden ist. Im Zentrum steht der omnipräsente Einfluss der fiktiven Leviathan Corporation, deren dystopisches System sowohl die Gesellschaft als auch die Wahrnehmung der eigenen Identität kontrolliert. Ein intensives Erlebnis erwartet all jene, die sich auf die bedrückenden Kulissen, surrealen Rätsel und die psychologischen Abgründe dieser einzigartigen Spielwelt einlassen.
Grafik und Sound
Visuell beeindruckt das Spiel mit einer Vielzahl markanter Szenerien: Von grotesk gefüllten Badewannen mit menschlichen Versuchspersonen, über meterhohe Haufen ausrangierter Fernsehgeräte, bis hin zu rätselhaften Zwischenwelten mit gewaltigen Stein-Händen, die sich aus dem Nichts erheben. Die Umgebungen vereinen Schönheit mit Grauen und strotzen vor kreativer Bildsprache, die das Gefühl einer ständigen Bedrohung meisterhaft transportiert. Charaktermodelle bewegen sich glaubwürdig, mit bemerkenswert detaillierten Gesichtern und natürlicher Mimik.
Auch auf der auditiven Ebene überzeugt die Produktion durch ihre Tiefe: Das Summen alter Fernseher, das Zirpen von Fliegen und das fast schon alarmierende Klingeln eines Telefons verschmelzen zu einem Sounddesign, das die Immersion spürbar verstärkt – insbesondere mit Kopfhörern, denn Teile des Spiels nutzen gezielt das räumliche Hören, um Hinweise zu geben oder das Bedrohungsgefühl zu steigern. Die hochkarätigen, emotionalen Sprecherleistungen der Figuren tragen viel zur Atmosphäre bei, während der Soundtrack das Erlebte mit einem Wechselspiel aus gespenstischen Melodien und spannungsgeladenen Klangteppichen untermalt. So bleibt jeder Moment eindringlich und sorgt für eine Gänsehaut, die auch nach dem Abschalten nicht sofort vergeht.
Handlung & Charaktere
Im Mittelpunkt steht eine Geschichte, die sich immer wieder selbst dekonstruiert und mit unvorhersehbaren Wendungen und einem Reigen an vielschichtigen Charakteren zu überzeugen weiß. Spieler werden in existenzialistische Krisen, persönliche Dramen und luftige Parabeln über Macht, Kontrolle und den Verlust der eigenen Identität verwickelt. Die erzählerische Tiefe reicht von erschütternden Schicksalen über berührende Momente bis zu verstörenden Offenbarungen. Obwohl die Inszenierung manchmal auf der Grenze zur Überfrachtung wandelt und gelegentlich der Eindruck entsteht, dass das Spiel mehr „Erlebnis“ als „klassisches Spiel“ sein möchte, ist die Handlung so fesselnd gestaltet, dass sie bis zum Abspann und darüber hinaus beschäftigt.
Spielmechanik und Gameplay
Spielerisch präsentiert sich der Titel als Vertreter des psychologischen Walking-Sim-Genres, ergänzt durch Puzzle-Elemente und Erkundung. Die Fortbewegung erfolgt klassisch aus der Ego-Perspektive, wobei die Interaktion mit der Umwelt auf das Lösen von Rätseln, das Sammeln von Hinweisen und das Navigieren durch surreale Sequenzen reduziert ist. Wer anspruchsvolle Action oder komplexe Gameplay-Mechaniken erwartet, wird womöglich enttäuscht. Dafür überzeugt die Inszenierung mit einer starken Atmosphäre und clever platzierten Rätseln, die oftmals unkonventionell wirken und das narrative Vorankommen elegant unterstützen. Längere Zwischensequenzen und das betont langsame Pacing könnten jedoch für Ungeduldige problematisch sein, zumal die Handlung die spielerische Freiheit teils stark limitiert. Die Einfachheit der Rätsel steht in Kontrast zur visuellen und erzählerischen Finesse, doch genau dieses reduzierte Gameplay lässt das narrative und emotionale Gewicht umso mehr wirken.
Genreeinordnung
Im Spannungsfeld zwischen Psychothriller, Walking Simulator und cineastischem Adventure hat sich diese düstere Reise einen eigenen Platz geschaffen. Die Entwickler orientieren sich klar an Vorbildern des dystopischen Science-Fiction und des psychologischen Horrors, setzen jedoch auf eine eigenständige Mischung aus behutsamem Storytelling, atmosphärischer Erkundung und emotionalen Höhepunkten. Klassische Shooter- oder Survival-Horror-Elemente werden ausgespart zugunsten einer entschleunigten und tiefgründigen Spielerfahrung, in der Atmosphäre und Story im Fokus stehen.
Fazit
Wer eine tiefgründige, visuell und akustisch eindrucksvolle Reise durch die Abgründe einer dystopischen Gesellschaft erleben möchte, findet hier eines der markantesten Genreerlebnisse der jüngeren Zeit. Trotz kleinerer Schwächen bei der Rätseltiefe und einem für manche vielleicht zu gemächlichen Erzähltempo, brilliert die Erfahrung durch ihr außergewöhnliches Artdesign, eine fesselnde Geschichte sowie einen markanten Soundtrack. Die nachhaltig wirkende Stimmung, gepaart mit emotionalen Charakteren und einer dichten Erzählung, machen diesen Titel zu einem Pflichtprogramm.